Normalerweise treffen wir in unserer Freizeit Freunde oder die Familie. Soziale Kontakte und regelmässiges Beisammensein gehören zum Alltag. Jetzt aber sind Ansammlungen von mehr als fünf
Personen verboten. Social Distancing lautet die Devise – und wir halten uns fleissig daran.
Wer von zu Hause aus arbeitet, der muss die Wohnung kaum verlassen. Singles, die allein wohnen, können mit der Zeit vereinsamen. Das Alleinsein kann auf die Psyche schlagen und zu einer echten
Belastung werden. Doch das muss nicht so sein, wie David Siegenthaler (30), psychologischer Berater bei Paarberatung & Mediation im Kanton Zürich, zu BLICK sagt.
Gefühle akzeptieren, nicht dagegen ankämpfen
«Es ist ganz normal, dass man sich in dieser ausserordentlichen Situation einsam fühlt, wenn man allein lebt», so Siegenthaler. Der Einzel- und Paarberater erklärt, dass es im Leben auch andere
Situationen gibt, in denen man sich allein fühlt. «In einem ersten Schritt sollte man diese Erkenntnis zuerst einmal akzeptieren und zu sich selbst sagen: Ich darf mich allein fühlen.»
Man dürfe diese stark empfundene Einsamkeit auch als eine Art dunkle Wolke wahrnehmen, die am Himmel vorbeizieht. Siegenthaler sagt: «Das Wissen, dass Gefühle kommen, aber auch wieder gehen, kann
helfen. Und sich auch bewusst zu sein, dass man nicht dagegen ankämpfen muss.»
Sich klar darüber zu werden, dass es anderen gleich geht und sie sich in dieser Situation auch einsam fühlen, könne ebenfalls eine Erleichterung darstellen. «Das verbindet.»
Einen freundlichen Umgang mit sich selbst entwickeln
Wer glaubt, dass die jetzige Situation nur Schlechtes mit sich bringt, der irrt laut Siegenthaler. Der Experte weiss, dass sich das viele Alleinsein auch positiv auf uns auswirken kann: «Man
lernt auf diese Weise, es mehr mit sich selbst auszuhalten.»
Ein freundlicher Umgang mit sich selbst sei dabei das A und O. «Wir Menschen tragen ganz viel verschiedene Bedürfnisse in uns. Sprechen wir sie laut aus, dann können wir diesen Bedürfnissen auch
eine Stimme und ein Gefühl geben.» Daher sei es vor allem in der jetzigen Situation auch wichtig, mit sich selbst zu sprechen. «Sie können auch mit Ihren Haustieren oder Ihren Küchengeräten
reden, das ist gar nicht problematisch», sagt Siegenthaler lachend.
Ein weiterer positiver Effekt, der die Isolation mit sich bringt: Wir können lernen, uns besser um uns selber zu kümmern. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, unsere eigenen Bedürfnisse auszuleben.
«Ich kann jetzt auch etwas machen, ohne dass mir jemand reinredet oder ich mich anpassen muss.» Man könne nun nach den eigenen Vorstellungen handeln und sich selbst ausleben.
Ein strukturierter Alltag sorgt für Halt
Besonders wichtig sei während dieser ausserordentlichen Situation laut dem Experten, dass man, auch wenn man allein lebt, weiterhin einen geordneten Tagesablauf beibehält. «Strukturen geben Halt,
Orientierung und sorgen für Antrieb. Sie sind extrem wichtig, denn wenn man sich täglich Ziele setzt, wie beispielsweise eine Runde Sport, dann gibt das ein Ansporn.»
Einen Tag komplett selbst zu strukturieren und das auch so umzusetzen, das gäbe einem eine unglaubliche Stärke. Siegenthaler sagt: «Und die kann man dann mitnehmen für den Rest von seinem Leben.»
Differenzierte Sprache dank Telefon
Soziale Kontakte sollten aber auch während der ganzen Corona-Zeit nicht verloren gehen. «Es hilft extrem, regelmässig mit Leuten via Videocall zu sprechen», weiss der Einzelberater. Dort könne
man einerseits über die schönen, alltäglichen Dinge plaudern, aber sich andererseits auch über die negativen Gefühle austauschen. «So fühlt man sich auch ein wenig verbunden und merkt, dass man
nicht die einzige Person ist, die so fühlt.»
Es hilft, die Videocalls zu einem Ritual zu machen und immer an einem bestimmten Tag oder zu einer bestimmten Zeit einzuplanen. «Natürlich ist der Effekt nicht der gleiche, wie er wäre, wenn man
sich in echt treffen würde. Aber es tut gut, sich mit anderen Leuten zu treffen.» Zusammen könne man dann am Telefon kochen, Spiele spielen, trainieren oder Musik machen. «Alles, was Ihnen Spass
bereitet, ist erlaubt.»
Hinter dem häufigen Telefonieren versteckt sich ausserdem ein grosser Vorteil: Man kann laut Siegenthaler lernen, sich verbal deutlicher zu verständigen. «Weil am Telefon Mimik, Gestik und
Berührung wegfallen, lernt man dort, sich besser auszudrücken.»
Quelle: Blick.ch
Im Auftrag von: Paarberatung & Mediation Kanton Zürich
Jurnalistin: Vanessa Büchel